Hans-Gert Pöttering: Man muss danach suchen, was verbindet

Krzysztof Ogiolda
Krzysztof Ogiolda
Fot. Krzysztof Ogiolda
Der ehemalige Vorsitzende des Europaparlaments war am Montag zu Gast in der Caritasbibliothek. Er sprach über Multikulturalität als einem europäischen Erbe und einer Herausforderung.

Die Diskussion im mit Publikum gut gefüllten Saal leitete Waldemar Gielzok, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bildungsgesellschaft. Er lud den Gast dazu ein, den Versuch einer Definition der Multikulturalität zu wagen, und zur Beantwortung der Frage, wie diese seiner Meinung nach zu dem sogenannten „Multi-Kulti” steht.

„Ich habe ein Problem damit, das Wort Multikulturalität auszusprechen“, gestand Hans-Gert Pötternig etwas scherzhaft. „Aber ich verstehe es als eine Begegnung von Menschen, die zwar in verschiedenen Kulturkreisen aufgewachsen sind, aber dennoch nach etwas Gemeinsamen suchen. Ich komme aus Norddeutschland und weiß, dass die Bayern anders sind als wir. Doch wir haben etwas, was uns verbindet. Mitglieder der deutschen Minderheit in Polen treffen sich mit eingeborenen Polen auf den Feldern der konstitutionellen Demokratie, der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Jeder von uns hat viele Identitäten, die er in sich vereint: die regionale Oppelner oder die oberschlesische Identität, die nationale und die europäische Identität. Ich bin davon überzeugt, dass wir viel stärker das hervorheben müssen, was uns miteinander verbindet, als das, was uns voneinander trennt. Es gibt Menschen in Europa, die eher danach suchen, was uns voneinander trennt. Doch eine solche Haltung droht, die Dämonen zu wecken. Wir sollten nicht vergessen, dass die Einheit in Vielfalt zu den Regeln der Europäischen Union gehört. Die Einheit, denn viele Probleme, wie zum Beispiel die Terrorgefahr, können wir nicht lösen, indem wir uns in unseren Schneckenhäusern versperren“.

Der ehemalige Vorsitzende des Europäischen Parlaments und - 35 Jahre lang - Parlamentarier in Brüssel war am Mittwoch auf Einladung des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit und der SKGD in der Caritasbibliothek zu Gast. Am Montag stellte er in der Blauen Aula der Oppelner Universität sein neuestes Buch „Wir sind zu unserem Glück vereint. Mein europäischer Weg”.

Ein Thema, welches bei den beiden Treffen diskutiert wurde, war die Frage der Moslems in Deutschland, in Polen und generell in Europa.

„Wir haben viele Identitäten in Europa“, fuhr Pöttering fort. „Moslems haben auch ihre Identität. Ich will nicht, dass Millionen Moslems nach Europa kommen. Wir sind nicht in der Lage, alle Wirtschaftsmigranten aufzunehmen. Doch ich bin bereit, Moslems zu helfen, die in ihren Heimatländern verfolgt werden. Als Christ, als Katholik lbin ich bereit, ihnen im Namen des Grundwerts - der Menschenwürde - Asyl zu gewähren. Wir sollten für Menschen, die in ihren Ländern verfolgt werden, unsere Herzen öffnen. Und wir sollten die Würde aller Neuankömmlinge respektieren, was nicht bedeutet, dass wir alle aufnehmen müssen. Wenn jemand Christ oder Moslem ist und eine friedliche Haltung zeigt, verdient er Toleranz. Es gibt keine Pflicht, Andere zu akzeptieren. Doch es bedarf einer friedlichen Achtung anderer Menschen.”

Dabei knüpfte er an sein Familienhaus an, wo seine Mutter nach dem Krieg ein Zimmer für Neuankömmlinge aus Schlesien zur Verfügung stellte. Sie lehrte, dass die Sonne für alle gleich scheint. „Slogans wie Verteidigung Europas im Namen christlicher Werte lassen sich nicht mit der Erklärung verbinden, dass wir bereit sind, auf Flüchtlinge zu schießen. Das steht im Widerspruch zum Evangelium“, sagte er.
Der Gast verbarg nicht, dass die Integration der Neuankömmlinge nicht immer schmerzlos verläuft. „Wir haben 4 Mio. Türken in Deutschland. Manche sind wunderbar integriert, sprechen hervorragend Deutsch, manchmal besser als eingeborene Deutsche. Doch wenn eine Frau heiratet, wollen die Eltern erzwingen, dass sie einen Mann heiratet, den sie für sie aussuchen.”

Vor dem Hintergrund erinnerte Hans-Gert Pöttering daran, dass es in Europa keinen Platz für Toleranz für Intoleranz gibt und diese Regel auch für Moslems gelten muss.

„Wir haben das Recht zu erwarten, dass sie unsere Rechtsstaatlichkeit respektieren werden, Regeln des deutschen Grundgesetzes oder der polnischen Verfassung. Und dass sie auch unsere Sitten und Bräuche achten. Wir akzeptieren ihre religiösen Besonderheiten. Wenn Moslems kein Schweinefleisch essen wollen, sollten wir das respektieren. Doch wir müssen uns nicht damit abfinden, dass junge muslimische Männer nicht von Lehrerinnen unterrichtet werden möchten. Die Achtung für die Gleichberechtigung der Geschlechter gehört zu den Regeln, die in unseren Ländern gelten“.

Pöttering erinnerte daran, dass in Deutschland gerade ein neues Integrationsgesetz vorbereitet wird. Dieses wird die Neuankömmlinge, die in Deutschland bleiben wollen, dazu verpflichten, Deutsch zu erlernen.

Zur Frage der Moslems äußerte sich beim Vormittagstreffen an der Universität Erzbischof Alfons Nossol, Oppelner Bischof im Ruhestand.

Er erinnerte an die Sätze Konrad Adenauers, eines der Väter der Europäischen Union, der sagte, dass die Einheit Europas, die ein Traum von Wenigen war, zur Hoffnung von Vielen wurde, und heute ist sie eine Notwendigkeit für uns alle. In Anlehnung an das Lebenswerk von Hans-Gert Pöttering appellierte er um Dialog unter politischen, kulturellen und religiösen Aspekten. Er unterstrich, die reiche und vielfältige islamische Kultur nicht in einen Sack zu stecken. Er rief zur toleranten Haltung auf, die eine klare Äußerung der eigenen Meinung mit Akzeptanz oder zumindest Respekt gegenüber der Meinung der anderen Seite verbindet.
Die Teilnehmer des Treffens widmeten viel Zeit dem Problem des Nationalismus.

„Ich bin dafür, dass die Nationen in Europa ihre Besonderheit bewahren“, sagte der Gast aus Deutschland. „Früher habe ich den Begriff der vereinigten Staaten von Europa verteidigt. Heute bestehe ich nicht mehr darauf, denn die USA, an die dieser Begriff anknüpft, bestanden nie aus Nationalstaaten. Ich bin für Patriotismus, doch einen vernünftigen Patriotismus, welcher weiß, dass die Überzeugung, dass eine Nation privilegierter ist als die anderen eben zum Nationalismus führt. Davor muss man sich hüten“.

Hans-Gert Pöttering äußerte sich auch zu den Rechten der deutschen Minderheit. Er betonte, dass die Akzeptanz der deutschen Minderheit in Polen eine unbestrittene Tatsache ist. In dieser Perspektive analysierte er die aktuelle Lage in Russland.

„Russland hält Krim im Namen dessen besetzt, dass dort Russen wohnen”, sagte er. „Dabei könnte sich Russland ein Beispiel aus dem Umgang mit den Minderheiten in Polen nehmen. Dabei respektiert Russland selbst nicht die Rechte der Krimtataren oder Tschetschenen. Wir möchten mit Russland im Frieden leben, doch dieses sollte das internationale Recht beachten, wenn es dies nicht tut, muss es mit Konsequenzen rechnen. Heute gilt in Europa die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren. Wir verteidigen in der Europäischen Union nicht Territorien, wir verteidigen Werte. Der größte davon, größer als die Nation, ist die Freiheit.”

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