Was wir über die Geschichte der deutschen Minderheit in Polen noch nicht wissen

Tłum. Elf
DWPN
Wir brauchen Zeitzeugenaussagen über das Leben in der Volksrepublik Polen, als es offiziell zwar keine deutsche Minderheit gab, aber die Deutschen in Schlesien und in Polen doch gelebt haben - sagt Professor Piotr Madajczyk.

Als Deutschland-Experte werden Sie, Herr Professor, morgen in Oppeln an der Konferenz zum Thema „Was wir über das Schicksal der Deutschen in Polen noch nicht wissen” teilnehmen. Eben, was wissen wir als Gesellschaft noch nicht?
Wir wissen noch Vieles nicht, doch die Erforschung der Geschichte der Minderheit startete bereits vor 25 Jahren und es ist gelungen, viele Themen zu bearbeiten. Die intensivsten Forschungen wurden zu Beginn der 1990er Jahre geführt.

Weil man es endlich durfte und die Thematik neu war?
Das auch. Das waren die ersten Forschungen nach der Zeit der Tabuisierung und Verbote. Solche Bereiche sind für Historiker attraktiv. Doch auch der moralische Aspekt war wichtig - die Abrechnung mit der Volksrepublik Polen. Dazu gehörte das objektive Sprechen darüber, was sich in der damaligen Zeit ereignet hat. Es wurde vor allem das erforscht, was stürmisch verlaufen und sehr schmerzhaft war, also die ersten Nachkriegsjahre.

Also die Vertreibungen und Aussiedlungen sowie Verifizierung und allgemeiner formuliert die sogenannte „Entdeutschung“?
Das alles wurde untersucht. Es wurde auch über die Lager für die deutsche Bevölkerung wie Lamsdorf oder Schwientochlowitz diskutiert. Das wurde weitgehend aufgearbeitet und es ist schwer vorstellbar, dass plötzlich neue Quellen auftauchen, welche dieses Bild der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, welches wir bereits haben, umstürzen würden. Es wurden auch größtenteils solche Phänomene wie die Gründung der Deutschen Freundschaftskreise und die Ausreisewelle der Deutschen nach Deutschland in der Zeit der Volksrepublik Polen beschrieben.

Dann kehre ich zum Titel der Konferenz zurück: Was wissen wir immer noch nicht?
Wir können sicherlich nicht erklären, dass die Forschungen beendet wurden. Einige Themen warten immer noch auf deren Bearbeitung. Doch bevor wir versuchen, diese zu benennen, muss die Frage der Quellen an Angriff genommen werden. Es ist kein Zufall, dass das Forschungszentrum der Deutschen Minderheit sich bald an die deutsche Minderheit mit der Bitte wenden wird, Familiendokumente, Tagebücher, Andenken, Familienbriefe und Behördenkorrespondenz zuzusenden, welche uns zeigen werden, wie Deutsche in Schlesien, Pommern oder Masuren funktioniert haben, als deren Existenz offiziell verneint wurde.

Obwohl bei fast jedem oberschlesischen Geburtstag Deutsch gesungen wurde?
Aber die Minderheit war nicht anerkannt. Daher wurde offiziell nichts über sie geschrieben, ausgenommen der Dokumente des Staatssicherheitsdienstes, welche jedoch aus einer spezifischen Perspektive verfasst wurden.

Und daher sollte man, und es wird sich lohnen, die Archive zu „befragen“, die wir in unseren Schubladen haben?
Ja, weil nur diese den Alltag zeigen werden. Dieser bestand nicht in der Befürwortung des Revisionismus, sondern darin, dass die Menschen einerseits in der polnischen Umgebung funktionierten, z.B. in der Schule oder in der Arbeitsstätte, und andererseits irgendwie versucht haben, ihre eigene Identität zu bewahren. Sie hatten Kontakte mit Verwandten aus Deutschland usw.

Sie haben zu Hause Deutsch gesprochen oder in dieser Sprache Weihnachtslieder am Christbaum gesungen.
Das, welche Weihnachtslieder wir singen und wie wir Weihnachten feiern, gehört zur Tradition und Identität. Es bedarf der Erweiterung der Bearbeitung der Geschichte der Minderheit in diese Richtung und einer Abkehr von der ausschließlich politischen Perspektive. Das ist eine wichtige Chance. Die Volksrepublik Polen war enorm zwiespältig. Für Deutsche in Polen bedeutete sie sowohl Diskriminierung als auch das normale Leben. Es lohnt sich, das Ganze aufzuzeigen. Zu Hause lassen sich vielleicht Strafzetteln für das Deutschsprechen, Korrespondenz mit der Arbeitsstätte, welche aufgrund der Abstammung eine Beförderung verweigert hat, u.a. finden. Wichtig ist, dass diese Dokumente beim Aufräumen nicht im Mülleimer oder im Ofen landen.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass das Übersenden von Fotos oder Dokumenten zum Einscannen allein nicht ausreicht. Viele Personen, Zeitzeugen, müssten sich einfach mobilisieren und ihre Erinnerungen an diese Zeit aufschreiben, in der die deutsche Identität tief verborgen war, aber manchmal auch mutig manifestiert wurde.
Vielleicht muss man diesen Aufruf breiter fassen und nicht nur um existierende Quellen bitten, aber diese auch aufrufen. Nicht nur fragen: Was habt ihr zu Hause, was die deutsche Identität bestätigt? Es lohnt sich auch zu fragen: Woran könnt Ihr euch erinnern aus eigenen Erlebnissen oder Erzählungen von Nächsten?

Welche Quellen warten noch, untersucht zu werden?
Ich denke, dass es uns nicht gelungen ist, eine Schlüsselinstitution in der Zeit der Volksrepublik Polen zu erforschen, und zwar die Kirche. Die frühen Nachkriegsjahre erforschte Pfarrer Professor Andrzej Hanich, doch die spätere Haltung der Kirche gegenüber der deutschen Minderheit wartet auf ihre Erforschung.

Ich kann mich erinnern an die Zeit als ich Ministrant war. Nach dem Verlassen der Kirche nach dem Rosenkranz oder der Maiandacht bildeten sich Gruppen von Menschen. In manchen wurde Deutsch gesprochen. Der Kirchplatz war ein Freiheitsraum. Und viele, vor allem ältere Menschen, haben in deutscher Sprache gebeichtet.
Es wäre überaus interessant zu erfahren, ob das aus eigener Entscheidung des einen oder anderen Pfarrers erfolgte, der die Umstände und die Pfarrgemeinde- mitglieder gut kannte, oder war es ein Element der Politik der Kirche, und diese Beichte in Deutsch mit Einvernehmen und Kenntnis des Bischofs erfolgte. Es ist genauso schwer, diese Realität durch das Prisma der Dokumente zu beschreiben, die mit der kommunistischen Partei zusammenhängen. Das System hatte nämlich die Eigenschaft, dass viele Fragen, auch jene, die nicht mit der deutschen Minderheit zu tun hatten, am Telefon besprochen und entschieden wurden. In den Dokumenten gibt es keine Spuren von Diskussionen oder Streitigkeiten. Wir wissen, wie die Entscheidungen waren, oft wissen wir aber nicht, wie der Mechanismus war, der zu diesen Entscheidungen führte.

Einen Einfluss auf die Lage und Betrachtung der Deutschen (selbst wenn sie formal in Oberschlesien nicht existiert haben) hatte auch die Propaganda.
Und das sowohl die polnische als auch die deutsche. Die erste hob vor allem den deutschen Revisionismus und die deutsche Bedrohung hervor. Das hatte Einfluss auf das Leben der Menschen. Doch Personen, die Deutsch konnten, hörten deutsches Radio, mit der Zeit gelangten nach Oberschlesien aus der Bundesrepublik auch Zeitungen, Bücher, Kassetten und Schallplatten. Es kamen Briefe und Päckchen an. Das alles waren Informationen und sie wirkten auf das Bewusstsein normaler Menschen. Diese Frage wartet immer noch auf Erforschung.

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