Worum ich die Polen in Litauen beneide

Redakcja
"Ich habe nun ein gänzlich anderes Bild der polnischen Minderheit in Litauen", sagt Rafal Bartek, der sich in Wilna im Rahmen des polnisch-deutschen Quiriten-Kreises aufgehalten hat.

- Wer sind die Quiriten?
- Das ist ein Expertenkreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dazu gehören Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen, darunter Wissenschaftler und Journalisten, junge Menschen, die sich für die polnisch-deutschen Beziehungen interessieren. Wir treffen uns ein oder zwei Mal im Jahr. Diesmal waren wir in Wilna, obgleich das Hauptthema der Tagung Weißrussland war. Das erklärt sich damit, dass das Büro der Kondrad-Adenauer-Stiftung, das sich mit dem weißrussischen Problemen beschäftigt, seinen Sitz in der Hauptstadt Litauens hat. In Minsk würde es nicht zugelassen.

- Gab es eine Gelegenheit, die Situation der Deutschen in Polen mit der Lage der Polen in Litauen zu vergleichen?
- Der Aufenthalt hat im Allgemeinen den Horizont sehr erweitert. Ich konnte mich wieder einmal davon überzeugen, dass die Lage der Minderheiten einem erst dann klar wird, wenn man sie aus der Nähe betrachtet. Wir haben uns während des offiziellen Programms nicht mit Litauen oder mit seinen Minderheiten beschäftigt. Ich habe jedoch Kontakte mit Journalisten der polnischen Zeitungen in Litauen geknüpft, und in Gesprächen mit ihnen gewann ich einen anderen Kenntnisstand als bisher.

- Die Polen in Litauen beneideten Sie sicherlich um die zweisprachigen Ortstafeln und um andere Minderheitenrechte in Polen …
- Diese Gespräche öffneten mir die Augen für viele Fragen, denn jene Journalisten haben auch eine kritische Distanz zu ihrem eigenen (polnischen) Milieu. Sie sagten ganz offen, dass viele Streitfragen, z.B. die zweisprachigen Ortstafeln, die es in Litauen tatsächlich immer noch nicht gibt, sind im Grunde genommen für beide Seiten von Nutzen. Denn dieser Konflikt mobilisiert die Wählerschaft sowohl des Bundes der Polen und der Partei, die er bildet, als auch der litauischen Parteien. Das hat ein bedeutendes politisches Gewicht, weil die polnische Minderheit zahlenmäßig wirklich sehr stark ist. Die Bevölkerung Litauens, das sind 3 Mio. Einwohner, und die polnische Minderheit zählt über 200.000 Menschen, das sind mehr als 6% aller Staatsangehörigen. Die Litauer spielen vor den Wahlen die antipolnische Karte. Und die Polen mobilisieren ihre Wählerschaft, indem sie ihre Verfolgung kundtun. Es ist umgekehrt als bei uns. Je mehr Forderungen der deutschen Minderheit in Polen erfüllt worden sind, je sicherer fühlen sich die Deutschen, desto mehr sinkt die Zahl der für die deutsche Minderheit abgegebenen Stimmen bei den Sejmwahlen.

- Einige Polen in Litauen bringen zweisprachige Tafeln an privaten Gebäuden an, die Behörden gehen dagegen vor, die Spannungen dauern an.
- Ich konnte in den Gesprächen erfahren, dass dies nicht immer eine wirklich spontane Handlung seitens der polnischen Minderheitsangehörigen ist. Die Minderheitspartei ermuntert die Leute und sponsert auch zum Teil diese Tafeln. Das erinnert mich ein bisschen an die Aufstellung einer Tafel mit einem "wasserpolnischen" Namen durch die RAS (Oberschlesische Autonomiebewegung).

- Aber der Konflikt um die polnischen Schulen in Litauen ist echt.
- Selbstverständlich, wir müssen aber bedenken, wie die Ausgangssituation für die Polen in Litauen sich gestaltet. Sie haben rund 100 Schulen mit Polnisch als Unterrichtssprache. Alle Fächer werden dort auf Polnisch unterrichtet. Als die Vertreter des polnischen Bildungsministeriums Litauen besuchten und erzählten, wie das Minderheitenschulwesen bei uns aussieht, haben die litauischen Behördenvertreter sofort vorgeschlagen, dass sie das gleiche Bildungssystem in Litauen einführen würden. Für die polnische Minderheit in Litauen wäre das aber ein gewaltiger Rückschritt.

- Die litauische Regierung ist der Ansicht, dass die Polen in Litauen die litauische Sprache ungenügend beherrschen. Das ist u.a. die Erklärung für die Idee eines einheitlichen Abiturs in Litauisch in allen Schulen, auch in den Minderheitsschulen.
- Meine Gesprächspartner waren der Meinung, dass diese Begründung absurd ist. Das Niveau der polnischen Schulen ist sehr hoch und deren Absolventen haben keinerlei Sprachprobleme beim Besuch einer litauischen Universität. Schwach sprechen Litauisch hingegen Personen im mittleren Alter und Arbeitslose. Man hat aber hauptsächlich solche Personengruppen untersucht.

- Was ist der Hauptunterschied zwischen den Deutschen in Polen und den Polen in Litauen?
- In einigen Gemeinden, z.B. in Ejszyszki, besteht die Einwohnerschaft fast zu 100% aus Polen. In der Wilna-Region gibt es auch Dörfer, in denen kein einziger Litauer lebt. Es gab hier keine zeitliche Unterbrechung im Polnischunterricht zu Hause und in der Schule. Die Kinder bringen also auf natürliche Art und Weise die Polnischkenntnisse in die Schule mit. Deren Eltern arbeiten oft in Wilna und sprechen sowohl das Polnische als auch das schwierige Litauische gleich gut. Um diese allgemein herrschende Zweisprachigkeit beneide ich die Polen in Litauen sehr.

- Und was passiert dort, wo die Behörden in einer Minderheitengegend eine schöne litauische Schule bauen?
- Ein Teil der (polnischen) Eltern schickt ihre Kinder in eine solche Schule. Das ethnische Kriterium ist nicht für alle ausreichend. Daraus lässt sich schließen: Eine Minderheitsschule muss eine sehr gute Schule sein, nur dann ist sie konkurrenzfähig.

- Wie sieht die Seelsorge der Polen in Litauen aus?
- Die Priester stammen meist aus den Reihen der Minderheit. Denn in einer heiligen Messe, die in der Minderheitensprache abgehalten wird, ist es auch notwendig, die Predigt auf Polnisch zu halten. Das hat zur Folge, dass im Priesterseminar in Wilna auch die litauischen Priesteramtskandidaten intensiv Polnisch lernen. Das ist ein grundlegender Unterschied im Vergleich zu unserer Situation. Im Oppelner Land reicht es aus, wenn der Priester die Messtexte korrekt vortragen kann. Er muss nicht unbedingt die deutsche Sprache auch tatsächlich beherrschen.

- Wie ist der heutige Stand des Streites um die Schriftweise der Nachnamen der Minderheitsangehörigen und um den Erhalt der polnischen Nachnamen?
- Den Streit gibt es nach wie vor und er bezieht sich auf die Anwendung des litauischen Alphabets, es geht jedoch nicht unbedingt um den Wortlaut der Nachnamen. Wenn ein Pole Piotrowicz heißt, wird er nicht unbedingt dazu angehalten, seinen Namen "Piotrovičius" zu schreiben. Allerdings wird es im Nachnamen Tarasiewicz den Buchstaben "w" nicht geben, sondern nur ein "v" und ein "č" statt "cz". Es besteht eine Chance, dass der Konflikt rasch beigelegt wird, denn er betrifft nicht nur die Polen. Wenn eine Litauerin einen Ausländer heiratet, trägt er seinen Namen in der bisherigen Schreibweise, z.B. Wagner. Sie muss aber den Namen litauisch schreiben: "Vagner". Wenn sie nun ins Ausland verreisen, heißen die beiden in ihren Pässen anders. Das ist also ein Problem auch für die Litauer.

- Inwiefern ist die Minderheitskultur, also in diesem Fall, die polnische Kultur für die Litauer attraktiv?
- Leider weniger attraktiv als die russische Kultur, obgleich Litauen in der Sowjetunion das Fenster zum Westen war. Diese Erscheinung bezieht aber nicht nur auf Polen, sondern allgemein auf den Westen. Wenn z.B. Elton John zu einem Konzert nach Wilna käme, würde man Werbung dafür auch in Lettland und in Estland machen, damit die große Konzerthalle auch wirklich voll wird. Wenn aber ein russischer Rapper kommt, wird dieselbe Halle proppenvoll von lauten Litauern.

- Was hat Sie überrascht im Fall Weißrusslands?
- Die polnischen Medien machen oft aus Lukaschenko einen Diktator, der sich nur mittels der Gewalt im Amt hält und daher es so schwer ist, ihn loszuwerden. Indessen gibt es unabhängige Umfragen, keine Regime-Umfragen, die zeigen, dass Lukaschenko sich durchaus einer ziemlich starken Unterstützung erfreut. Die Opposition ist dagegen ziemlich schwach.

- Weißrussland ist für uns - in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht - ähnlich den alten Ostblockländern.
- Und wieder haben wir hier mit einer Schwarz-Weiß-Malerei zu tun. In Wirklichkeit herrscht in Weißrussland eine gemischte Wirtschaftspolitik. Neben Wirtschaftsfaktoren, die rein alt-sozialistisch sind, gibt auch einen gut funktionierenden Kapitalismus. Das Land ist stark abhängig, auch wirtschaftlich, von Russland, das soziale Sicherungssystem spielt aber eine wichtige Rolle. Die Weißrussen erfreuen sich einer niedrigen Arbeitslosenrate. Es kommt hinzu - das ist natürlich rein politisch motiviert -, dass vor den Wahlen die Gehälter immer erhöht werden. Der Wähler zieht also wohl ein relativ niedriges Lebensniveau vor. Dafür gibt ihm der Staat die soziale Sicherheit und bahnt die Gefahr einer kapitalistischen, risikovollen Transformation. Eine gewisse Bedeutung spielt auch ein schwach ausgebildetes Nationalbewusstsein der Weißrussen, die sich vor allem mit dem eigenen Territorium identifizieren. Umso leichter fällt es ihnen, in einer politischen Abhängigkeit von Russland zu leben.

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