Es gibt kein Kulturerbe ohne Gedächtnis

Archiwum
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Krzysztof Wysdak, Vorstandsmitglied der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, ein Liebhaber der Geschichte und Kultur Schlesiens.

- Heute beginnt in Groß Stein das 18. Schlesienseminar, welches dem materiellen und immateriellen Erbe der Region gewidmet wird. Auf den ersten Blick scheinen die Burgen und Schlösser das offensichtlichste Symbol des deutschen Beitrags in das materielle Kulturerbe im Oppelner Schlesien zu sein...
- Wenn wir das Kulturerbe aus polnischer oder deutscher Sicht betrachten, dann benutzen wir dabei irgendwelche Filter. Das ist eine gefährliche Verlockung. Eine andere Gefahr besteht eben darin, dass sich im allgemeinen Bewusstsein vor allem Burgen und Schlösser etablieren. Vielleicht liegt es daran, dass jeder - seit dem Kindergarten - davon träumt, irgendwann Mal, wenn auch nur für einen Moment Prinzessin oder Prinz sein möchte. Mir, als einem Menschen der seit Generationen in Oberschlesien lebt, tut es sehr leid, dass es uns viel schwerer fällt, jene Elemente des kulturellen Erbes wahrzunehmen, die mit schweren Arbeit, technischen Gedanken und dessen Auswirkung auf den Fortschritt und die Entwicklung des Ortes, in dem wir leben, verbunden sind.

- Das Vorurteil ist so, dass man nach postindustriellen Denkmälern, die mit der Kultur der Industrie verbunden sind, eher in der heutigen Woiwodschaft Schlesien suchen muss.
- Das ist eben ein Vorurteil. Ich war sehr traurig als die Oppelner Zementindustrie das 150. Jubiläum gefeiert hat. Diesbezüglich gab es fast kein Echo, abgesehen von einer kleinen Ausstellung, die von der SKGD in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Zementfabrik organisiert wurde. Ich hoffe, dass so etwas ähnliches bald nicht unsere Hütten treffen wird. Wir haben nicht immer das Bewusstsein, dass die ersten oberschlesischen Hütten - in Malapane, Friedrichsthal und Königshuld - bereits um das Jahr 1754 entstanden sind. Die Betriebe in Kattowitz und anderen Städten im Industriegebiet sind erst viel später entstanden, obwohl sie heutzutage mit dem Hüttenwesen verbunden sind. Wir brauchen Wissen über das kulturelle Erbe dieser Erde, um nicht zu vergessen, dass die industrielle Entwicklung Oppelns mit der Bahnlinie begann, später wurde das Gaswerk, die Wasserleitung und das Elektrizitätswerk gebaut. Die schlesische Industrie trug dazu bei, dass in die Stadt Gelder flossen, die man investieren konnte.

- Daran denkt man im alltäglichen Leben kaum, weder die Mehrheit als auch die Minderheit.
- Es ist uns gelungen, einen so einfachen Zusammenhang zu vergessen, dass es zuerst reiche Bürger geben muss, die etwas produzieren, was andere wirklich brauchen, und erst davon gibt es eine reiche Region. Das Bild der Oder als kulturelles Erbe geht verloren. Wenn es doch auftaucht, dann nur im Zusammenhang mit Erholungstouristik, wenn Yachthafen, Buchten oder Promenaden usw. entstehen. Doch die wenigsten wissen, dass es auf unserem Fluss keinen regelmäßigen Flusstransport gibt. Wir vergessen, dass die Oder ein wunderbares Beispiel vom technischen Gedanken ist. Auf der Oder wurden doch die ersten Versuche von Regulierung der Flüsse unternommen, diese Erfahrungen wurden später am Rhein und an der Donau genutzt.

- Es gibt sehr viele Bewusstseinsverluste und Lücken im Gedächtnis...
- Nicht nur im Gedächtnis. Es verschwinden Bahnhöfe, einst ein wichtiger Impuls der Industrieentwicklung. Der Bahnhof in Oppeln wird jetzt gerade renoviert. Viel schlimmer schaut es in kleinen Ortschaften aus. Die Gemeinden versuchen diese Gebäude zu übernehmen und zu bewirtschaften, doch wir bekommen zu hören, dass es schwierig ist, sich mit der öffentlichen Eisenbahngesellschaft einig zu werden. Durch Flammen werden Holzdenkmäler vernichtet. Vor ein paar Jahren brannte der Speicher in Groß Strehlitz und die Halle in Oppeln ab, eine wunderschöne Konstruktion unweit der Jesuitenkirche (darin befand sich der Laden “Komfort"), welche die Kunst der schlesischen Handwerker zeigte. Die Zerstörungen umfassen auch private Sammlungen. Leider landen immer öfter alte Werkzeuge und Dokumente, Zeugnisse, Handwerksbriefe auf dem Müll. Damit geht auch das Gedächtnis darüber verloren, dass hier einst Menschen lebten, die auf unserer Erde schöne Dinge herstellen konnten.

- Aber ich würde mit Sturheit auch an die Burgen und Schlösser erinnern. Deren Bild hängt ein bisschen davon ab, welche Brille wir aufsetzen. Ein Optimist wird auf das mit Pietät wieder aufgebaute Schloss in Groß Stein zeigen, ein Pessimist weist auf die Ruinen in Koppitz hin.
- Groß Stein ist ein gutes Beispiel für gut angelegtes Geld. Wir haben wiederhergestellte alte Gebäude, alte Mauern, alte Umrisse. Wie können zurückverfolgen, wo sich das Schloss, Landwirtschaftsgebäude usw. befanden. Gleichzeitig ist die ganze Innenausstattung modern und sagt nichts darüber aus, wie es innen früher ausgesehen hat.

- Das ist schon ein “Verdienst" der Barbaren in Uniformen der Roten Armee, die dafür sorgten, dass alles völlig zerstört wurde. Nicht nur in Groß Stein.
- Das stimmt natürlich. Ich habe mich gewundert, als ich erfahren habe, dass die Woiwodschaft Oppeln zahlenmäßig die meisten Burgen und Schlösser im Verhältnis zu der Einwohnerzahl hat. Es ist also was zu bewundern. Vielerorts sind die Mauern und die architektonischen Grundlinien erhalten geblieben, was wir, dank gutem Willen der derzeitigen Eigentümer, verfolgen können. Schade um solche Denkmäler, wie Koppitz. Es lebten dort Menschen mit einer reichen Geschichte und einer modernen Auffassung der Wirtschaft. Ich denke sowohl an die Familie Schaffgotsch, als auch an der neuen Geist, den Joanna Gryzik diesem Ort eingehaucht hat. Die ruinierten Schlösser sind nicht nur das einzige Problem. Wegen verschiedener Kriege verschwanden aus vielen Schlössern die Ausstattung und all die Unterlagen, die über die Geschichte dieser Orte zeugten. Das ist erst ein großer Verlust. Die Schlösser das sind nicht nur Mauern, aber auch die Menschen, die dort lebten. Aber trotzdem läge es mir mehr an den Denkmälern, die mit Arbeit, als an solchen die mit Herrschaft verbunden waren.

- Es geht mehr ums Wohnen, um Gestaltung der Geschichte dieser Erde, als ums Herrschen.
- Einverstanden, die Eigentümer der Schlösser waren gleichzeitig Inhaber von Arbeitsstätten. Hier sei nur das Beispiel der Familie Garnier aus Turawa zu erwähnen. Sie holzten das, was in der Region am kostbarsten war - also das Holz - auf eine moderne, zukunftsorientierte und schonende Art und Weise ab. Man darf nicht vergessen, dass in den Turawawäldern 80 Kilometer Schmalspurbahn gebaut wurde, die den Abtransport des Rohmaterials erleichtern sollte. Das ist auch materielles Kulturerbe.

- Das immaterielle Erbe ist schwieriger zu definieren.
- Ich antworte mit einem Beispiel. In Spanien hat man den nach Santiago de Compostela führenden Jakobsweg für ein Element des immateriellen Kulturerbes erklärt. Und es geht nicht darum zu entscheiden, auf welcher Strecke oder Strasse genau der Pilgerweg führt. Wichtiger ist die Tatsache, dass Jahrhunderte lang die Menschen auf diesem Weg unterwegs waren, sie wanderten wegen einem bestimmten Zweck und diese Tradition wird kultiviert und entwickelt sich bis heute.

- Wie soll man dieses Beispiel unseren oberschlesischen Verhältnissen anpassen?
- Sehr verschieden. Ein Element des immateriellen Erbes ist die schlesische kulinarische Tradition. In der Küche trifft das immaterielle mit dem materiellen Erbe zusammen. Leider werden traditionellen schlesischen Gerichte von neuen Gerichten und Gemüse- und Obstarten außerhalb der Region verbannt. Wir sollten diese Tradition ausschließlich auf die Roulade, Blaukraut und Soße reduzieren. Alte Sitten verschwinden und - was wohl am wichtigsten ist - verschwand größtenteils eine für Schlesien typische Vielsprachigkeit.

- Es dauert ein mühsamer Prozess der Wiederbringung an...
- Der Sinn der Sprachen entdecken wir heute wieder neu. Früher war es in Schlesien eine Norm. Davon zeugt die Praxis, welche in der Diözese Breslau (zu der auch das Oppelner Land gehörte)angebracht war, der größten Diözese Europas, die von Stettin bis nach Berlin reichte. Kardinal Bertram hat Priester unter der Bedingung geweiht, dass sie imstande waren in Deutsch, Polnisch und Mährisch zu beichten und anderen priesterlichen Dienst zu verrichten.

- Die Kleriker des Oppelner Seminars haben auch Fremdsprachenunterricht in Deutsch und Tschechisch.
- Doch Fremdsprachenunterricht ist nicht alles. Wesentlich ist, ob ein Seelsorger die Möglichkeit hat, diese Sprachen in der Praxis zu gebrauchen. Denn nach 5-6 Jahren Pause bleibt vom Unterricht nicht viel hängen. Noch wichtiger ist das Bewusstsein, das Vielsprachigkeit eine Bereicherung ist, welche gepflegt werden sollte. Darauf müssen wir zurückgreifen. Auf der anderen Seite von solchem positiven Denken ist die Überzeugung, dessen Echo wir immer noch zu hören bekommen: Wozu so eine Anstrengung, es können doch alle Polnisch. Eine solche Begründung dient der Kultur nicht.

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