Seit 70 Jahren stelle ich mir die Frage, wer ich wirklich bin

Krzysztof Ogiolda
Krzysztof Ogiolda
Krzysztof Ogiolda
Der langjährige Chefarzt der Abteilung für onkologische Chirurgie im Oppelner Onkologiezentrum entschloss sich zum ersten Mal, öffentlich seine Geschichte zu erzählen.

- Sie begann mit einer Tragödie in der Familie Boot. Willy, vielleicht Wilhelm Boot, ich bin mir nicht sicher, war mein Vater - erzählt er. - Er pachtete eine große Landwirtschaft unweit von Pirna bei Dresden, in der Kolonie Meindorf (Besitzer war ein recht hoher Staatsbeamte). Noch vor dem Krieg wurde in diesem Haus Sohn Georg geboren. Als sich herausstellte, dass er geistig behindert war, wurde er auf Befehl der Nazi-Behörden im Alter von 8-9 sterilisiert. Das bedeutete für den Vater, dass es keinen männlichen Nachfolger der Familie geben wird. Dabei waren er und seine Frau immer älter.

Wahrscheinlich war dies der Grund für Wilhelms Verhältnis mit einer der Landarbeiterinnen des Bauernhofes. Der Arzt vermutet, dass die Frau auf der Suche nach Arbeit ins Ausland gegangen ist und nach Kriegsausbruch zur Zwangsarbeiterin wurde. Insgesamt waren dort 4 bis 5 Leute beschäftigt, darunter ein französischer Kriegsgefangener und ein Ehepaar.

- Diese unbekannte Frau war angeblich eine Volksdeutsche - fährt Dr. Sachanbiński fort doch welcher Nationalität sie gewesen ist, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht an ihr Gesicht erinnern, weiß nicht mal, wie sie hieß. Doch sie war wahrscheinlich meine Mama. Zur Welt kam ich - als uneheliches Kind - am 15. oder 19. März 1945. Der Vater war nicht mehr da. Er war einige Monate vorher zur Wehrmacht eingezogen worden und kehrte aus dem Krieg nicht mehr zurück. Er schaffte es nur noch, einen Brief an meine Mutter zu schreiben mit dem Versprechen, dass er nach seiner Rückkehr alles regeln werde, doch es war ihm nicht gegeben, das Versprechen zu halten. Die Mutter landete in einem Straflager, ich schließe nicht aus, dass Wilhelm Boots verbitterte Ehefrau etwas damit zu tun haben könnte.

Der Krieg ging zu Ende. In die Gebiete an der Elbe kam zuerst die amerikanische Armee, doch sie zog sich zurück und diese Gebiete wurden - dem Bündnisvertrag entsprechend - von den Rotarmisten besetzt. Sie führten sich wie vielerorts in den eingenommenen deutschen Gebieten auf - sie raubten den Männern das Leben und den Frauen auch die Ehre. Die junge Mutter war unter deren Opfern. Sie kam ums Leben.

- In diesem Moment beginnt mein Drama. Das Drama eines Kindes, welches niemandem gehört - erinnert sich Dr. Aleksander. - Obwohl ich mir dessen nicht bewusst war. Wahrscheinlich haben sich Menschen um mich gekümmert, die bei meinem Vater gearbeitet haben und ein gutes Verhältnis zu ihm hatten. Und sie waren es, die mich in eine andere Familie gegeben haben, mehr in den Osten, in den Gebieten, die sich nun auf der polnischen Seite der Grenze befanden, zu Menschen, die dort umgesiedelt wurden. So gelang ich in das Haus der Familie Sachanbiński. Sie gaben mir den Vornamen - Aleksander und den Familiennamen, tauften mich und nahmen mich in ihr Haus auf wie ein eigenes Kind. Ohne eine Prozedur der Adoption. Ich war damals etwa ein Jahr alt. Daher kann ich mich natürlich an gar nichts erinnern.

Der Arzt zeigt eine im Jahr 1993 von seinem Stiefbruder unterzeichnete Erklärung. Er bescheinigte darin, dass der kleine Aleksander in das Haus seiner Eltern kam. Heute ist er ein Professor, damals war er sieben Jahre alt gewesen.

- Ich bin meinen Stiefeltern dankbar, weil sie mich wirklich christlich und menschlich behandelt haben - gesteht Aleksander Sachanbiński. „Das waren arme, aber sehr gute Menschen. Sie haben mir nie zu spüren gegeben, dass ich nicht deren biologisches Kind bin. Sie haben mich gleich mit den restlichen Geschwistern behandelt. Als ich größer wurde, haben sie mir nach und nach Informationen zu meiner Vergangenheit gegeben. Es war schwer für mich, dass meine Eltern - obwohl sie gut waren - in Wirklichkeit, im direkten Sinne, es keine waren.

Die Frage nach der eigenen Identität stellte sich dem jungen Olek besonders schwierig, als er eine Mittelschule für Forstwirtschaft besuchen wollte. Dafür brauchte er seine Geburtsurkunde. Doch ein solches Dokument gab es in seinem Haus nicht.

- Die Eltern gingen zum Gemeindeamt, um diese Papiere für mich zu besorgen - erinnert er sich. - Die Behörden haben angedeutet, dass ich eigentlich in ein Waisenheim gehen sollte. Das wollte niemand von uns. Letztendlich stellte das Gericht 1962 eine Geburtsurkunde aus. Sie fragten mich, ob ich den Namen Sachanbiński annehmen will. Das wollte ich, ich hatte doch keinen anderen.

Der Arzt gesteht, dass diese Erlebnisse bei ihm für Widerstand gegen die Eltern sorgten. Er fing an, sie zu meiden. Der Weg, so schnell wie möglich das Haus zu verlassen und selbstständig zu werden, bedeutete viel und gut zu lernen, wie es nur möglich war. Im Jahr 1966 machte er sein Abitur und fing im Juni an, im Wald zu arbeiten. Im Herbst musste er zum Militär.

Beim Militär wurde der Junge mit Abitur und einer schönen Schrift zum Schreiber. Als der Kompaniechef merkte, dass er es mit einem guten Schüler und geordneten jungen Mann zu tun hatte, bat er ihn um Nachhilfeunterricht für seine Tochter, die nicht allzu gerne lernen wollte. - Ich begann, ihr diese Nachhilfestunden zu geben- erinnert sich Herr Sachanbiński. - Das war Vorsehung. Die Frau des Kompaniechefs, die Zahnärztin war, überzeugte mich davon, dass nicht der Wald, sondern ein Studium meine Zukunft ist. Sie brachte mir Lehrbücher aus dem Lyzeum und sagte mir, dass ich mich fürs Examen vorbereiten sollte. Ich war verliebt in die Forstwirtschaft, doch nach ihrer Empfehlung studierte ich Medizin und wurde Arzt.

In den 1990er Jahren versuchte der Arzt irgendeine Spur des Vaters zu finden. Bis heute bewahrt er einen recht großen Stapel von Briefen, die er von verschiedenen deutschen Suchinstitutionen aus verschiedenen Städten u.a. aus München, Augsburg, Köln und Dresden erhalten hat. In allen wird die Information wiederholt, dass das Schicksal des vermissten Wilhelm Boots unbekannt bleibt.

Aus der Gegend, wo er geboren wurde, übersandte man ihm die Geburtsurkunde eines am 19. März um 3.50 Uhr geborenen Jungen (Vater unbekannt).

- Aus diesem Dokument geht hervor, dass die Mutter des Jungen Wala Orłowa war und griechisch-katholisch war - erzählt der Doktor - vielleicht war sie also Ukrainerin. Doch ob das tatsächlich meine Mutter und meine Geburtsurkunde ist, werde ich wohl nie erfahren. Diese Ungewissheit über meine Vergangenheit quält mich immer noch, obwohl 70 Jahre vergangen sind. Ich stehe immer noch vor dem Geheimnis und stelle mir manchmal die frage: Wer bin ich wirklich.

Bereits als Erwachsener machte ich mir oft Gedanken über meine Identität, habe nach und nach die Bindungen zur deutschen Kultur und deutschen Minderheit entdeckt. Er ist für sich zu dem Schluss gekommen, dass diese ihm am nächsten steht. Den formellen Antrag auf Mitgliedschaft bei der SKGD stellte er im Jahr 2008 und wurde aufgenommen. Bei der letzten Parlamentswahl kandidierte er von der Liste der deutschen Minderheit.

- Ich hatte nicht den Ehrgeiz, Sejmabgeordneter zu werden - gesteht er. - Ich bin bei den Wahlen nur gestartet, um nach Möglichkeit die Liste des Wahlkomitees der deutschen Minderheit zu unterstützen. Das ist nicht verwunderlich. Das ist doch auch meine Liste.

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