Deutsch waren wir lange heimlich

Redakcja
Krzysztof Świderski
Bernard Kus, langjähriger Aktivist der deutschen Minderheit, ehemaliges Vorstandsmitglied der SKGD, Gast des gestrigen Treffens im Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit.

- Ihr Treffen mit dem Publikum des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit wird unter dem Motto “Deutscher in Polen nach 1945 zu sein - versteckte Option und offene Option". Wann wurde Ihnen zum ersten Mal klar, dass Sie Deutscher sind und es was kosten wird?
- Zum ersten Mal habe ich das zu spüren bekommen, als wir nach der Flucht vor der Front aus Bayern zurück nach Hause gekehrt sind. Für uns war es eindeutig, dass wir Deutsche sind. Der Vater hat diese Identität behütet und war dafür bekannt. Er war auch Wehrmachtssoldat, obwohl er gleichzeitig Hitler mied und das war auch bekannt. Doch nach Hause zurückkehren, in die Heimat durften wir nur als Polen. Solche Transporte organisierten Amerikaner für polnische Zwangsarbeiter, die nach Deutschland abtransportiert wurden. Im Wagon sind wir mit einer anderen Familie gewesen, aber wir Kinder haben weder Polnisch noch Wasserpolnisch gekonnt. Daher haben wir bald einen Schrei zu hören bekommen: “Schwaben fahren nach Polen". Der Kommandant des Transportes hat uns verteidigt. Er stellte uns als germanisierte Schlesier dar, denen man die polnische Identität wiedergeben sollte, weil wir in Schlesien benötigt werden. Für mich, ein 11-jähriges Kind war das alles nicht allzu verständlich. Doch die Mutter wurde - mit Erstaunen - zum ersten Mal als Polin angesehen. Auf diese Weise hat uns der Kommandant vor der Ausweisung aus dem Zug bewahrt.

- Sie sind auf diesem Weg gekommen bis...
- ...nach einer langen Reise sind wir in Mittelwalde bei der polnisch-tschechischen Grenze gelandet, wo es ein Lager für Rückkehrer aus Deutschland gab. Dort fand die Verifizierung statt. Die Mutter, welche aus der Familie Kania aus Schalkowitz stammte, konnte sehr gut Wasserpolnisch sprechen. Sie ging zu einem Gespräch mit dem Kommandanten und kehrte nach zwei Stunden weinend mit der Information zurück, dass wir wohl nicht nach Hause zurückkehren. Für uns sprach die Tatsache, dass wir in der Nähe von Tschenstochau wohnten. Belastend waren unsere Namen: Bernhard, Edeltraud, Manfred und Lidia. Der Kommandant wollte nicht riskieren und uns die Fahrt nach Polen erlauben. Am Morgen kam er noch ein Mal. Er schlug vor, dass er uns doch zur Heimkehr verhelfen möchte. Der Preis dafür war die Änderung unserer Namen. Bei mir war er gnädig und lies das h streichen und so wurde ich ab nun zum Bernard. Edeltraud wurde in Maria geändert, Manfred in Józefa, den Namen Lidia sollten wir nun mit y schreiben. Aber wir durften nach Hause. Wir haben auf diesen älteren, vom Krieg erschöpften Mann wie auf einen Schutzengel geschaut.

- Nach der Rückkehr musste man in die polnische Schule, ohne Polnisch zu können...
- In die Schule nach Ellguth kamen wir in März 1946. Unser Lehrer war Paweł Figas. Er hatte den Vorteil, dass das Klassenbuch sehr gut führen konnte. Und den Nachteil, dass er sehr streng und verhasst auf Deutsche war. Er hatte wohl irgendwelche dramatischen Kriegserlebnisse hinter sich gehabt. Er fragte einen Freund von uns - Piotr Cichos nach seinem Namen und dem Geburtsort. In seiner Antwort ist dem jungen der deutsche Name August rausgerutscht. Der Lehrer hat den Jungen so geschlagen und mißhandelt, dass er nicht nur ihn, sondern uns alle zum Weinen gebracht hat. Das paradoxale an der Geschichte war die Tatsache, dass der Vater des Schülers ein bedeutender schlesischer Aufständischer war. Er wird sogar für seine Verdienste in der “Enzyklopädie der schlesischen Aufstände" angeführt. Doch der Grad der Einschüchterung war so enorm, dass niemand, selbst der Vater den Jungen in Schutz nahm. Zum Glück wurden wir 1948 in eine 3 Kilometer entlegene Schule nach Sternalitz verlegt.

- Weit, es gab doch keine Schulbusse.
- Nein, die gab es nicht. Wir sind zu Fuß gegangen. Ich habe so ein Bild vom Schulabschluss in der Grundschule, auf dem wir alle barfuß stehen, weil es ein warmer Juni war. Doch in diese Schule wollte man gehen und lernen. Es war der Verdienst eines sehr humanitären Ehepaars aus Ostpolen. Ich weiss bis heute ihre Namen, es waren Maria und Aleksander Kulikowscy. Sie stammten aus österreichischen Teilungsgebiet, sie konnten Deutsch und haben uns verstanden.

- Wurde zuhause Deutsch gesprochen?
- Der Vater gehörte zu einer Gruppe von Menschen, die in unser Haus kamen und sich zu der deutschen Identität bekannt haben. Sie haben nicht nur Deutsch gesprochen, aber auch gesungen, was besonders gefährlich war. Meine Aufgabe war es in dieser Zeit um das Haus herumzugehen und aufzupassen, damit wir sicher sind, dass die Luft rein ist und wir nicht belauscht werden. Denn eine eventuelle Anzeige wäre gefährlich.

- Wie ist der Vater mit der neuen Wirklichkeit zurecht gekommen?
- Er kam aus der Sowjetunion im Jahr 1947 in einer sehr schlechten Verfassung zurück. Die Verschleppungen in die Sowjetunion haben alle Männer unabhängig ihrer Identität getroffen. Auch polnisch fühlende Oberschlesier wurden zur Zwangsarbeit in den Osten verschleppt. Nach der Rückkehr erhielt er den Befehl, zusammen mit anderen Männern im Dorf Wache zu halten, da es eine Welle von Raubüberfällen gab. Drei solche Wachmänner setzten sich bei uns in der Laube hin und unterhielten sich bei ein bisschen Wodka. In dieser Situation kam ins Haus der örtliche Miliziant, Herr Walotek. Alle hatten Angst vor ihm, weil er nicht nur sehr kräftig, aber auch brutal war. Er hat den Männern vorgeworfen, dass sie betrunken Wache gehalten haben und befahl ihnen am nächsten Tag zur Milizstation in Sternalitz zu kommen, von wo sie dann zum Sitz des Sicherheitsdienstes nach Rosenberg hin sollten. Es war allgemein bekannt, dass dort Leute ums Leben kommen. Auch aus dem Grund, dass sie Deutsche sind. Als sie ihn nun gebeten haben, ihnen nicht zu schaden, gab er ihnen einen Zettel zum Unterschreiben. Erst als sie eingeschüchtert unterschrieben haben, stellte sich heraus, dass es sich um eine Aufnahmeerklärung zur Polnischen Arbeiterpartei handelte. Mein Vater war nicht lange dabei. In den Anfangsjahren der Volksrepublik Polen wurden jene Bauern toleriert, die bis zu 10 Hektar Ackerland hatten. Vater hatte elf Hektar und wurde als Volksfeind und Kulak aus der Partei rausgeschmissen. Das hat er sicher nicht bereut. Doch die Aufschrift “Kulak", die immer wieder auf unserem Tor geschmiert wurde, schmerzte ihn sehr. Diese ideologische “Klassenverfolgung" hörte erst nach der berühmten Ansprache von Gomułka im Jahr 1956 auf.

- Und wie war es mit dem Festhalten an der deutschen Identität?
- Der Vater hat zuhause und auf dem Hof ausschließlich Deutsch gesprochen und es war ihm egal, ob das jemandem gefällt oder nicht. Er hat diese Angewohnheit auch viel später nicht geändert, als ich in den 1970er Jahren ein Sejm-Abgeordneter der polnischen Bauernpartei (ZSL) wurde. Zu einem Sejm-Abgeordneten kamen natürlich verschiedene Menschen. Der Vater hat aber trotzdem seine Angewohnheit nicht geändert. Also haben die Kinder auf natürliche Weise die deutsche Sprache gelernt. Wir haben erst dann angefangen, mehr Polnisch zu sprechen, als meine Schwester einen echten Polen heiratete und der Vater sich mit meinem Schwager sehr angefreundet hat. Der Vater hat von sich aus vorgeschlagen, die Sprache zu ändern, damit sich der Schwiegersohn voll akzeptiert fühlt.

- Haben Sie irgendwelche andere Formen von Diskriminierung auf Grund Eures Deutschtums gespürt?
- Manche Situationen waren völlig unverständlich. In dem benachbarten Ort Praszka, der auf der anderen Seite der Vorkriegsgrenze lag, konnte man schon bald nach dem Krieg ohne Hindernisse Deutsch lernen. In Landsberg O.S. war die deutsche Sprache bis zum Ende der Volksrepublik Polen gänzlich “verboten".

- Wann begann in Ellguth und Psurow die legale Existenz der deutschen Minderheit?
- Im Jahr 1989 und es brach wie ein Feuer aus. Das Beispiel gab Blasius Hantschuch aus der Nähe von Ratibor, der mit einer deutschen Fahne in der Hand in einer Fernsehsendung über nationale Minderheiten auftrat. Als die Unterschriftenaktion für die Listen mit Menschen mit deutscher Abstammung startete, entwickelte sich das Ganze rapide. Wir hatten damals viele sehr aktive Dorfschulzen aus unseren oberschlesischen Kreisen und sie haben oft diese Unterschriften gesammelt. Die Menschen haben das einfach begriffen: Wenn ein Dorfschulze die Unterschriften sammelt, dann ist es amtlich und offiziell - diese Aktion ging wie ein Blitz. Am ersten Treffen im Restaurant “Ślązak" ("Oberschlesier") in Rosenberg nahmen u.a. Johannes Kroll, Friedrich Sikora und Herr Stannek teil. Ich war dort auch, war mir aber nicht sicher, wie die Leute mich behandeln werden, da ich jahrelang Abgeordneter im polnischen Sejm war. Während des Treffens hat mich jemand für den Rosenberger Vorstand der SKGD mit der Begründung vorgeschlagen, dass ich gut Deutsch spreche. Seitdem bin ich in den Reihen der deutschen Minderheit mehr oder weniger aktiv.

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